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Dieser Artikel ist 1998 von mir geschrieben worden, als ich bei KPMG in Zürich die Leitung der Change Management Praxis hatte. Das Thema ist immer noch hoch aktuell. Man sollte ja sagen, noch viel aktueller, seit dem 11.9.2001, denn damals ist (vielleicht) die westliche Welt wach geworden. Der Artikel "le management par les valeurs" ist eine Folge darauf. Gleiche Welt, gleiche Logik!

 

Wir sind dabei die zweite Runde des Wirtschaftskriegs zu verlieren. Wenn wir die neuen Waffen die uns zur Verfügung stehen nicht einsetzen, um die dritte Runde zu spielen, dann steht zu befürchten, dass es gar keine vierte Runde geben wird.

Wer sind die Krieger, welches die Waffen ?

Die Krieger sind die Völker. Die Waffe ist die Psychologie.

Nehmen wir an, die erste Runde des grossen Wirtschaftskriegs begann kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, mit dem Marshallplan. Sie fand ihr Ende in allen entwickelten Ländern mehr oder weniger zur gleichen Zeit, in der Periode um 1970. Die erste Runde bewies den Managern, dass das Volk die Wirtschaft blockieren und manche Entscheide sogar zur Eroberung von kurzfristigen Privilegien erzwingen konnte. Während der zweiten Runde wurde ganz gezielt daran gearbeitet, die Produktionsstätten so menschenunabhängig wie nur möglich zu gestalten, mit einem Wort: automatisieren. Dadurch wurde auch die geographische Verlegung von Produktionsstätten erleichtert.

Die Macht haben heute die Grosskonzerne Die zweite Runde zeigt deutlich, wie ein Meisterwerk des Volkes, der demokratische Staat, den Grossteil seiner Macht verloren hat: Der Freie Handel, schon vom jungen Voltaire als guttuende Idee beschrieben, hat der Transportindustrie einen enormen Schub verliehen, so dass es heute möglich ist, x-beliebige Ware rings um die Erdkugel wirtschaftlich zu verschiffen. Dadurch ist die Macht der Regierungen in die Hände der Grosskonzerne übertragen worden. Geld ist Macht; das war immer so und wird auch so bleiben. Früher floss das Geld über die Steuern automatisch den Kassen des Staates zu. Heute fliesst es eben dahin, wo der Konsum es lockt. Es ist nicht Sache des individuellen Bürgers die Produkte zu kaufen, die in seinem Land erzeugt werden; er sorgt für sein Budget. So fliessen die Gelder dorthin, wo die Grosskonzerne und international handelnde Firmen sie haben wollen. Diese wiederum sorgen dafür, ihre Aktionäre zufrieden zu stellen. Die Aktionäre ? Bürger aus dem Volk, die für ihr Budget sorgen. Wieso gibt es also ein Problem ? Dadurch dass die Aktivität und das dazu passende Kapital sich verlegen, ausserhalb der Macht der lokalen Regierungen. Ein offener Kreislauf der uns schwächt.

Wir stehen im Wettbewerb für Arbeitstunden. Die dritte Runde ist in manchen Ländern schon im Laufen. Die Ausgangsposition: im weiten Ausland, wo der Staat noch keine hohen Ausgaben hat, werden immer mehr, immer kompliziertere Systeme produziert, deren Qualität mit unserer vergleichbar ist. Die Völker mit welchen wir im Wettbewerb stehen, verfügen inzwischen auch über alle konventionellen Managementmethoden, welche wir selbst mit unseren Industriewerken dorthin exportiert haben (z.B. Just-in-time, Supply Chain Management, Business Process Reengineering, Activity Based Management usw.).

Psychologie als Instrument des Managements Schaffen wir es, unsere Gesellschaft so zu gestalten, dass sie mit wenig Aufwand, d.h. niedrigen Steuern, reibungslos funktioniert, nur dann dürfen wir hoffen, dass wir im heutigen Wirtschaftsspiel, wo ein ganz harter Wettbewerb herrscht, ohne katastrophalen Einflussverlust durchkommen. Das ist, meines Erachtens, das mindeste das wir erreichen müssen. Wenn wir aber weiterhin zu den reichsten bzw. einflussreichsten Mächten der Welt zählen wollen, müssen wir unsere Waffen schon beträchtlich verfeinern. Das bedeutet, dass wir in unsere Managementmethoden die heute schon entwickelten Instrumente des psychologischen Bereichs erfolgreich einbauen. Bringen wir es so weit, dann geben wir uns die Möglichkeit, sogar den härtesten Wettbewerb dieser Welt mit Erfolgchancen anzutreten. Die Methoden welche diese Instrumente der Psychologie gebrauchen werden auf dem Markt unterschiedlich genannt, "Change Management", "Begleitung der Wandlungsprozesse", "Bearbeitung der Widerstände", usw.

Psychologie ist nichts neues Das Bedürfnis für ein partizipatives Management ist bei uns enorm gross und es ist längst bewiesen, dass ein solches Management auf die Energien der Mitarbeiter anregend wirkt und tatsächlich zu einer Produktivitätssteigerung führt. Nichts ausser die daraus resultierende konstruktive Kultur, könnte das "Deutsche Wirtschaftswunder" erklären, die rasche und erfolgreiche Entwicklung des Staats Israel, gleicherweise die rasche Entwicklung der Vereinigten Staaten, weiter von uns entfernt, die wiederholten Erfolge der Alten Griechen gegenüber den Persern und aus der Filmwelt, den Aufbau der Brücke über den Fluss Kwai.

Unsere Kultur als Barriere ? Die Widerstände gegen die Einführung eines partizipativen Managements sind andererseits ebenfalls gross, und das hindert uns, vorwärts zu kommen. Tief im Kopf eingebettet, liegen hindernde Vorbilder welche uns heute den Schritt nach vorn fast verunmöglichen. Die Schule, das Militär, die Religion, alles führt uns dahin, die Macht oben zu sehen und auf Befehle zu warten. Damit wird die Tendenz zu einen ziemlich passiven Verhalten gross. Auf der Managerseite ist die Problematik verdoppelt: einerseits waren die meisten unserer Manager gute Schüler und tragen die oben erwähnten Vorbilder um so fester in sich, andererseits haben die meisten exakte Wissenschaften studiert, sei es Mathematik, Physik, Finanzen oder irgendeine Technologie, und sind daher nicht richtig vorbereitet, um den Einsatz der Psychologie bei den sogenannten "Soft Factors" in einer Organisation zu schätzen. Es kann dazu noch erwähnt werden, dass die heutige Schwäche der Psychologie darin liegt, ihre Effektivität in Organisationen nicht messen zu können. Das soll aber auch noch lange nicht bedeuten, dass es keine gibt, oder dass ihre Wirkung unwichtig wird.

Einen Schritt vorausbleiben Genau diese Auswirkungen, die von manchen erkannt werden, sind unsere Waffen für die kommende Runde. Vorausgesetzt, wir schaffen zuerst einen klaren Boden - einen Staatsapparat angepasster Grösse dessen Unterhalt kein wirtschaftliches Hindernis bedeutet - dann ist eine Führung welche alle Kräfte der Organisation anregt der Weg zum Erfolg. - Zumindest so lange als die anderen Völker das gleiche Rezept nicht gleich schnell und erfolgreich zum Einsatz bringen. Denn was bedeutet "Erfolg" für uns Europäer ? Der Erhalt unserer Macht, der Erhalt unserer Kaufkraft auf internationaler Ebene, der Erhalt unseres Einflusses. All dies erreichen wir nur, wenn unser Produktivitätsvorsprung uns erhalten bleibt und dieser dazu führt, dass Aktivität und Kapital in unsere Länder zurückfliessen.

Dieser Wandel ist nicht die Sache eines Jahrzehnts. Es wird mindestens solange dauern wie eine unserer Managergenerationen, ca. 35 Jahre. Wenn wir aber diesen Weg nicht zu gehen verstehen, dann sehe ich keine gloriose Zukunft: auch die alten Griechen gingen im harten Kampf gegen die Römer unter, weil sie es nicht verstanden hatten, während ihres Vorspungs sich mit besseren Waffen auszurüsten. Werden wir das Leben als unbedeutende Völker, erlernen müssen ?